"farbe - mehr als bunt" Dieses Thema haben wir für unsere vierte Ausstellung hier im Hadid-Pavillon gewählt.
Wir, das ist die Gruppe FOTOGRAFIE K6, ein loser freier Zusammenschluss von Fotobegeisterten.
Farbe – mehr als bunt ist die erste Ausstellung, in der jeder von uns sehr individuell und
unabhängig von den Ideen der anderen das Thema umgesetzt hat. Es war für alle von uns
eine schwierige Auseinandersetzung mit einem Thema, das vordergründig so einfach erscheint.
Einzige Vorgabe, die wir uns gaben, war: Jeder muss eine in sich stimmige Serie erstellen,
damit - trotz sehr unterschiedlicher Ansätze - kein buntes Durcheinander die Ausstellung bestimmt.
Das Bunte beinhaltet das Ungeordnete, das Gemischte, das Vielfältige. Buntes ist zufällig, nicht ausgewogen.
Buntes begegnet uns ständig, sei es in der Natur mit bunten Blumenwiesen, oder in den Straßen der Städte
mit ihren Lichtern, Schaufenstern, Kleidungen, bis in die Medien hinein mit ihren schnell geschnittenen Inhalten.
Aber, hinter vielem Bunten kann sich System verbergen. So hat McDonalds für sein gelbes M den roten
Hintergrund in einen grünen verändert – warum, was wollen sie uns damit sagen?
Allein an diesem Beispiel sehen wir: Farbe ist mehr als bunt.
Farben vermitteln Stimmungen und Emotionen, haben eine psychologische Wirkung.
Farben machen symbolische Aussagen, wie im Beispiel McDonalds. Dies kann in unterschiedlichen Kulturen
unterschiedlich belegt sein.
Farben machen politische Aussagen, und neben der traditionellen, also farbwirklichen
Wiedergabe kann Farbe auch sehr kreativ eingesetzt werden, wie wir auf vielen Plakaten sehen können.
Hier möchte ich nicht zu sehr in die Tiefe gehen, es soll ein Hinweis sein, warum wir unterschiedlich
an das Thema herangegangen sind. Dabei reichte unser fotografisches Spektrum vom Handy bis zur
Mittelformat Kamera, von Natur- bis Studioaufnahmen.
Die Fotografie begann Anfang des 19. Jahrhunderts und war anfänglich ohne Farbe, nur die Helligkeitswerte
konnten auf Platte gebannt werden. Erst in den 1960er Jahren fand der Farbfilm eine weite Verbreitung,
also fast 150 Jahre später. Dies als Grundidee eines Ansatzes, der hier in der Ausstellung zu sehen ist.
Fotos mit einem starken Anteil einer bestimmten Farbe wurden in S/W umgewandelt und die zuvor das Bild
beherrschende Farbe nun als Farbfeld dem Bild zur Seite gestellt. Der von Itten
definierte Simultankontrast lässt uns nun die Farbe im SW-Bild erahnen.
Der Primär- und Sekundärfarbkreis, wie sie der Maler und Kunsttheoretiker Johannes Itten definiert hatte,
inspirierte eine weitere Serie. Dem entsprechend wurden hier die farbigen Handyfotos in einer Collage geordnet.
In der weitergehenden Überlegung wurde dieser Collage eine weitere aus unbunten Bildern gegenüber gestellt.
Unbunte Landschaft als Hintergrund kontrastiert mit kräftigen Farben der Kleider junger Frauen.
Kontraste sind wichtig, denn sie helfen bei der Auswertung unserer Wahrnehmungen, helfen das Chaos
der Sinneseindrücke zu ordnen.
Einen sehr starken Farbkontrast weisen die Arbeiten auf, in denen ein rotes Motiv sich in blauem oder grünem
Umfeld wiederfindet. Hier sind die Hintergründe nicht bunt sondern beschränken sich auf blaue oder grüne Farbtöne.
Weiter geht der Ansatz, nur einen Farbton in der Bildserie wirken zu lassen. Das Besondere daran ist,
dass in zwei dieser Serien Naturaufnahmen zu sehen sind.
Fast gegensätzlich dazu wirken Fotos mit leuchtenden Farbtönen, wie sie meist in bunten Bildern vorkommen.
Hier wird mittels ruhiger, ausgewogener Formen dem Bunten Struktur als Halt gegeben. Die Betonung liegt beim
Farbigen im Zusammenspiel, alle Teile passen zusammen, ergänzen sich zu einer gemeinsamen Aussage –
Form und Farbe sind ebenbürtig. Basierend auf diesem Gedanken wurden jeweils drei Bilder
auf neutral grauem Untergrund frei schwebend zu einem Bild komponiert.
Etwas rätselhaft mag der Ansatz der Portraitserien sein. Der Sprachgebrauch kennt den Zusammenhang
von Emotion und Farbe: ROT vor Wut, GRÜN oder GELB vor Neid und Eifersucht, BLAUäugig
oder GRÜN hinter den Ohren sein. Ein Mensch kann durch die ROSAROTE Brille sehen aber selbst farblos sein.
Die Portraits der Japanerin auf ochsenblutfarbigem Hintergrund sollen nun keine plakativen Emotionen
darstellen sondern feine Nuancen, wie sie flüchtig bei einem Gespräch über das Antlitz huschen.
Diese Lebendigkeit im Gegensatz zur Farbe, die auf Tod basiert. Aus Kostengründen wurde
das Blut geschlachteter Rinder als Grundstoff genommen.
In der Serie mit dem Mann wird mittels Mehrfachbelichtung gezeigt, wie jemand, der sich in einer Tätigkeit
verliert ohne darin aufzugehen, zunehmend an Kontur und Farbigkeit verliert.
Wieder haben uns unsere Wahl des Themas und die Umsetzung mittels fotografischer Mittel gelehrt,
genauer hinzusehen. Die Wahrnehmung unserer Welt wird farbiger und tiefer, wenn man nicht nur
die bunte Oberfläche betrachtet.
Rolf Pessel im November 2015